31 Jan Lebensgefährliche Eifel
Über die Kunst, in der Eifel als Fußgänger zu überleben.
Fußgänger in der Eifel, gibt es die überhaupt? Gib mal bei Wikipedia ein: Fußgänger in der Eifel. Kennt Wikipedia nicht, garantiert. Also gibt es die auch nicht.
Der Eifeler kennt keine Fußgänger
Nun bin ich aber vor einiger Zeit hier in die Eifel gezogen. Und da ich kein Auto habe, bin ich viel zu Fuß unterwegs. Das ist nicht einfach. Weil der Eifeler keine Fußgänger kennt. Ja, es scheint sogar so, dass der hiesige Menschenschlag kurz nach der Pubertät eine kollekive Mutation erlebt. Unmittelbar vor seinem achtzehnten Geburtstag wachsen im da, wo die Beine sind, plötzlich vier Räder. Ab diesem Zeitpunkt sieht man ihn also nur noch auf vier Rädern unterwegs.
Zigaretten holen? Nur auf vier Rädern! Zum nächsten Briefkasten? Auf keinen Fall zu Fuß. Nun ist das mit den Rädern statt Beinen so ne Sache. Das muss ja auch erstmal geübt werden. Klappt halt nicht direkt. Vor allem nachts nicht. Deshalb findet sich so mancher Eifeler plötzlich im Straßengraben wieder. Passiert ständig.
Vor ein paar Jahren war es mal in Mode gekommen, dass einer nicht trinkt, wenn eine Clique am Wochenende abends ausging. Leider hatten die Jungs und Mädels aber oft schon nachmittags getrunken. Das passte dann nicht ins Konzept. Deshalb wurde diese neue Mode schnell als Unsitte wieder zu Grabe getragen.
Freie Fahrt für freie Bürger
Wir kennen das noch: Freie Fahrt für freie Bürger. So hieß es doch immer. Und so versteht der Eifeler auch das Wort Bürgersteig. Bürger bist Du nur, wenn Du vier Reifen hast. Und von daher käme der Eifeler auch gar nicht erst auf die Idee, dass der Bürgersteig für etwas anderes gut sein könnte als für sein Auto. Auf jeden Fall nicht für Fußgänger. Weil, die gibt es ja nicht.
Also gut. Ich habe mich also damit abgefunden, dass der Bürgersteig in allen Eifelorten dem Auto vorbehalten ist, also für die parkenden. Etwa wenn der Eifeler irgendwo zu Besuch ist. Denn zu Hause hat er ja ein Haus für sein Auto bzw. für seine Autos. Tatsächlich gibt es hier Garagen, da wäre mancher froh, wenn er so ein Haus hätte. Nur halt ein kleines bisschen kleiner als das Wohnhaus, damit er sich nachts nicht vertut, wenn er nach Hause kommt.
Überlebensregeln für die Eifel
Ich glaub, das hat auch was mit Gleichberechtigung zu tun. Die Frau darf das Wohnhaus putzen und der Mann die Garage. Dann braucht er sich auch nicht mehr so schlecht zu fühlen, samstagsabends, wenn die Frau das ganze Haus geputzt hat. Wenn Du dann als Fußgänger gerade vorbeikommst, darfste natürlich nix sagen. Erste Überlegensregel.
Zweite Überlebensregel: Fang am besten ein Gespräch an, indem Du fragst, was Dein Gegenüber für ein Auto fährt. Meist bekommt er dann leuchtende Augen. Der Abend ist gerettet.
Dritter Regel: Wenn Du dummerweise vergessen hast, wie Dein Gesprächspartner heißt, dann sprich ihn einfach mit Michael (Schummi) an. Glänzende Augen – Abend gerettet, meist kriegst Du daraufhin sogar ein Bier spendiert.
Warum Du als Fußgänger ständig um Dein Leben bangen musst
Aber wie komme ich als Fußgänger zurecht? Also der Bürgersteig ist für die Autos gedacht. Wo also gehen? Die Schlussfolgerung: Wenn Auto auf Bürgersteig, dann ich als Fußgänger auf der Straße? Kannste ja mal ausprobieren. Überlebst Du keine fünf Sekunden. Weil als Fußgänger existierst Du ja nicht. Also sieht man Dich auch nicht.
Außer: Es ist Kirche, also sonntagsvormittags um 11 Uhr. Dann hast Du mal für ne Stunde die ganze Straße für Dich. Dann stehen nämlich alle Autos vor der Kirche! Auf dem Bürgersteig.
Besonders gefährdet bist Du, wenn Du an Kreuzungen die Straße überqueren willst. Die kapieren das nicht. Da bist Du nur Störfaktor. Wenn ich in Köln forsch an den Straßenrand trete, hält sofort jedes Auto an. Hier in Bitburg: Vergiss es. Auch hier würdest keine 5 Sekunden am Leben bleiben. Du kannst es auf eine Mutprobe ankommen lassen. Such Augenkontakt, so mache ich es meistens. Aber: Da Du für den Eifeler Autofahrer nicht existierst, wird er auch keinen Blickkontakt erwidern. Er drückt höchstens nochmal gebieterisch aufs Gaspedal. Und es ist völlig egal, ob es sich dabei um einen dieser unnützen Menschen mit den unnützen Autos (SUV = super unnützes Vehikel) oder um einen gewöhnlichen Kleinwagen handelt.
Meine Rache
Was soll ich also tun? Wieder nach Köln ziehen? Ne, ich glaub, ich spar jetzt für ein Auto. Und wehe ich erwische einen dieser Eifeler zu Fuß auf der Straße.
Jörg
Posted at 20:23h, 31 JanuarOha, da bin ich ja froh, dass ich jetzt schon zwei Besuche in der Eifel überlebt habe 😉
Nein im Ernst… es gibt echt rücksichtslose Leute. Überall, nicht nur in der Eifel finde ich!
Liebe Grüße, Jörg
Hans Joachim Schneider
Posted at 23:52h, 31 JanuarJa, Jörg, Du hast natürlich recht, es ist vielfach so auf dem Land, nicht nur in der Eifel. Aber gerade heute wieder beim Rückweg vom Einkaufen erlebt, da musste das mal raus. Und die Eifeler reagieren auch sofort, wie man an den vielen Kommentaren auch sehen kann. Und noch nie ist ein FB-Beitrag von mir so oft geteilt worden wie dieser.
Renate Blaes
Posted at 11:58h, 19 JanuarWas für ein köstlicher Beitrag, ich habe Tränen gelacht!
(Im zweiten Absatz fehlt übrigens ein kleines H … wachsen ihm da …)
Ansonsten vermute ich, dass viele Eifeler in die USA ausgewandert sind. Dort gibt es auch keine Fußgänger – außerhalb von Großstädten.
Schönes Wochenende!
Liebe Grüße – Renate
Hans Joachim Schneider
Posted at 23:25h, 19 JanuarLiebe Renate, da hast Du also noch den Weg auf meinen Blog gefunden. Und den Text auch noch verstanden. Einige Eifeler wollten mich sofort des Landes verweisen. Aber ich bin dann freiwillig gegangen, der Liebe wegen nach Norddeutschland. Danke für Deine lobenden Worte. Schöne Grüße, Joachim