Wildenburg – mon amour - anders-wandern.de
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Wildenburg – mon amour

Gehen oder nicht gehen, das ist hier die Frage

Ich bin jetzt den dritten Tag hier im Hunsrück. Am ersten Tag das Klassentreffen, gestern die kleine Klettertour mit meinen Neffen Norman über die Felsklippen am Wildenburger Kopf und heute der Abschiedstag. Es ist Montag. Die Bahn nach Hamburg soll erst am späten Nachmittag fahren. Die beste Schwester der Welt wird mich nach Oberstein zum Bahnhof bringen. Das Wetter ist nicht allzu heiß. Was tun?

Wildenburg-wandern-Blumen-am-Straßenrand

Auf dem Weg von Bruchweiler nach Kempfeld bewundere ich die Blumen, die direkt am Straßenrand blühen (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Ich habe schon am Vortag nach dem alten Wanderpfad Ausschau gehalten, der von der Wildenburg hinunter nach Tiefenstein führt. Den haben wir als Jugendliche oft genutzt, um ins Staden-Schwimmbad zu laufen. Den Einstieg habe ich gefunden. Warum also nicht heute diesen Weg laufen? Ich schaue im Netz nach dem Fahrplan der städtischen Busse. Aber das ist leider keine sehr komfortable Auskunfts-App, sodass ich nicht wirklich klug daraus werde, wann die Busse von Tiefenstein – wo ich wahrscheinlich mit dem Pfad herauskommen werde –aus Richtung Oberstein fahren.

Von Bruchweiler über Kempfeld zur Wildenburg wandern

Es ist sommerlich heiß, der Weg von Bruchweiler nach Kempfeld liegt die ganze Zeit in der Sonne (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Dann stellt sich heraus: Meine Schwester fährt sowieso nach Oberstein, weil sie zum Optiker muss! Das verschafft mir viel Luft für meine Planung. Sie kann meinen Rucksack im Auto mitnehmen, ich kann ohne Gepäck den alten Weg laufen.

Hauptstraße, die Kirche von Kempfel

Als ich vom Friedhofsweg auf die Hauptstraße biege, sehe ich die alte Kirche, in der wir früher als Küster tätig waren (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Pia hat nichts dagegen, warum auch? Wir verabreden, dass ich ihr eine Nachricht schicke, sobald ich in Tiefenstein angekommen bin. Sie gibt mir sogar noch Tipps, denn sie ist den alten Weg in letzter Zeit auch schon zwei-, dreimal gegangen, um ihren Mann von der Arbeit abzuholen.

Ich marschiere gegen Mittag in Bruchweiler los. Ich hatte ursprünglich überlegt, dass meine Schwester mich auf die Wildenburg bringt und ich von dort starte, aber jetzt, mit soviel Zeit, kann ich auch den ganzen Weg laufen. So wird eine richtige Wanderung daraus. Von der Wildenburg nach Tiefenstein sind es mal knappe sechs Kilometer, von Bruchweiler aus dann schon ungefähr zehn.

Da ich kein Gepäck trage, ist die Hitze erträglich. Der Fahrradweg von Bruchweiler nach Kempfeld ist nicht sehr attraktiv, er verläuft direkt neben der Straße. Aber jetzt noch alternative Wege suchen? Das hätte ich früher machen sollen.

Am Ortseingang von Kempfeld biege ich rechts Richtung Friedhof ab. Kurz kommt mir die Idee, diesen auch noch zu besichtigen, um zu sehen, was ich noch wiedererkenne. Ich erinnere mich, wie wir damals als Küster noch zu den Beerdigungen läuten mussten. Dann stand dort eine Stafette von zwei oder drei Menschen, um demjenigen, der das Läuten auslösen musste, zu signalisieren, was gerade am Grab passierte.

Der Wanderweg verläuft im Schatten neben Straße

Gottseidank läuft ab dem Sportplatz der Wanderweg zur Wildenburg neben der Straße (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Aber ich entscheide mich dagegen. Auf dem Weg durchs Dorf begegne ich kaum Menschen, die zwei oder drei, die mir entgegenkommen, kenne ich nicht. Auf dem Weg hoch zur Wildenburg passiere ich den Fußballplatz, auf dem wir früher als Jugendmannschaft unsere ersten Triumphe gefeiert haben. Mit Erstaunen registriere ich, dass sich Gras auf dem alten Hartplatz breit macht.

Schatten und Lichtspiele im Wald auf dem kurzen Stück bis zum Parkplatz an der Wildenburg

Für ein kurzes Stück verläuft der Pfad tiefer im Wald (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Ab dem Sportplatz verläuft ein schmaler Waldpfad neben der Straße, sodass ich nicht länger in der Sonne laufen muss. Kurz vor der Wildenburg geht es dann etwas tiefer in den Wald und gleich darauf auch wieder hinaus. Vor mir liegt der große Parkplatz am Wildfreigehege.

Renovierte Gebäude der ehemaligen Gaststätte Wildenburg

Wie anders sieht die Wildenburg heute aus im Vergleich zu meiner Jugend (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Mittlerweile bin ich doch durstig gewordenen. Da ich ohne Gepäck aufgebrochen bin, habe ich also auch keine Verpflegung dabei. Deshalb hole ich mir hier oben im Kiosk eine Flasche Wasser.

Display mit Wandersocken im Kiosk am Wildgehege

Uups, die richtigen Wandersocken sind auch schon da (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Weiter geht’s. Ich passiere das Burgtor. Auf der Wildenburg hat sich viel geändert. Das komplette Restaurant und die Wirtschaftsgebäude wurden großzügig renoviert. Allerdings ist die Gaststätte nicht mehr für den täglichen Publikumsverkehr geöffnet. Sie nennt sich jetzt Eventlocation und wird vom Hotel Hunsrücker Fass bespielt. Beliebt ist sie etwa bei Hochzeitsgesellschaften, zumal sich hier oben ein Ableger des Standesamtes befindet.

Burgtor der Wildenburg, frisch gemauert

Auch das Burgtor sieht nicht mehr so hinfällig aus wie in meiner Jugend (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Jetzt kommt der Einstieg in den Pfad. Am Anfang geht es über ein paar Steinstufen abwärts, dann aber mit gemächlichem Gefälle durch den Hochwald. Ich bin froh, dass ich mir Wasser gekauft habe. So muss ich nicht darauf warten, bis ich die beste Schwester von allen treffe, die hatte nämlich schon eine Flasche für mich eingepackt.

Schmaler Waldpfad über Steinstufen bilden den Einstieg

Der Einstieg in den Abstieg. Hier beginnt der Pfad nach Tiefenstein (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Der Pfad weitet sich zum Weg, ich erinnere mich kaum noch an den früheren Verlauf. Ich glaube, damals war mehr Pfad, aber ich kann mich vertun. Diesmal ist vor allem eins: aufgewühlte Waldwege von schwerem Räumgerät. Ich ärgere mich jedesmal, wenn ich sowas zu Gesicht bekomme. Hier wird in ganz großem Maße Umweltschaden angerichtet. Aber das interessiert ja keinen, weil es um Profit geht.

Der Ärger verfliegt, als ich an eine kleine Lichtung komme. Hier steht eine große Ansammlung von übermannshohen Disteln, aber was mich daran so fasziniert, sind die vielen Schmetterlinge, die darum tanzen. Das versöhnt mich ein wenig.

Disteln mit ganz vielen Schmetterlingen stehen auf einer Lichtung mitten im Wald

Unzählige Schmetterlinge tanzen um die Distelgruppe auf der sonnigen Waldlichtung (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Ich quere mehrfach Waldwege, folge aber meiner Markierung Hunsrückhöhenweg. Wo ich die nicht finde, folge ich meinem Instinkt. Der hat mich nur selten falsch geführt, und wenn doch, habe ich trotzdem immer wieder zum richtigen Ziel gefunden.

Beschriftung mit roter Farbe auf einem Baum: ZIel

Der Weg ist das Ziel, aber wo ist das Ziel und will ich da wirklich hin? Deutlicher Hinweis am Baum (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Nach einer guten Stunde (oder mehr) erreiche ich die Lüh, so heißt eine kleine Ansiedlung, hier im Wald, die zu Kirschweiler gehört. Früher hieß es, wer auf der Lüh wohnt, hat seine Schäfchen im Trocknen. Ob das heute noch so ist, weiß ich nicht. Pia hat mir geraten, sobald ich auf das erste Haus hier treffe, solle ich links auf den querenden Waldweg abbiegen. Der gefällt mir nicht so, deshalb laufe ich weiter geradeaus. Nach ein paar Hundert Metern geht mir durch den Kopf, dass ich dann eventuell bald unten an der Straße von Kirschweilerbrücke nach Tiefenstein stehe. Das will ich wiederum gar nicht.

Also laufe ich zurück zum Querweg und biege ab, wie meine Schwester empfohlen hat. Aber schon wenig später lockt mich wieder ein Pfad nach rechts. Gottseidank ist dort auch die Markierung für den Hunsrückhöhenweg wieder zu finden. Es gibt noch den einen oder anderen Spurwechsel, dann taucht an einem Baum mit Neonfarbe gesprüht zum erstenmal der Name Staden auf. Dort will ich hin. Nun nicht direkt, aber dort vorbei, denn dann bin ich schon in Tiefenstein.

Hinweisstein mit der Aufschrift, dass sich hier einmal eine Siedlung befand

Das ist mir neu, früher gab es den Hinweis nicht. Hier, wo jetzt der Wald herrscht, lag früher mal eine Siedlung (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Es dauert nicht lange, dann höre ich auch rechter Hand die Geräusche des Schwimmbades, in dem ich so viele Stunden meiner Jugend verbracht habe. Meistens habe ich damals gutaussehenden sonnengebräunten Mädels hinterhergeschaut.

Jetzt bin ich auch bald direkt bei den ersten Häusern, überquere die Straße nach Herborn und suche jetzt den Weg, der hier am Waldrand zur Weiherschleife an der Grenze zwischen Tiefenstein und Idar führen sollte. Leider finde ich dann an einer Wegverzweigung keinen weiteren Hinweis. Der linke Ast des Weges führt steil in den Berg, darauf habe ich bei der Hitze aber keine Lust. Also gehe ich unten im Tal weiter und stehe dann bald an der Hauptverkehrstraße nach Idar.

Zurück zur Wegabzweigung und doch den Berg erklimmen? Nö, dann lieber die Wanderung beenden und Pia anrufen, dass sie jetzt so nett sein kann, um mich unterwegs aufzugabeln. Sie wundert sich, dass ich schon in Tiefenstein bin.

Ein Weiher, Gebüsch links und rechts

Der Weiher, der der Weiherschleife ihren Namen gegeben hat (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Ich vereinbare mit ihr, dass ich weiterlaufe und sie dann die Augen aufhält, um mich nicht zu verpassen. Irgendwie scheint sie sich dann aber noch etwas Zeit gelassen zu haben. Denn als sie wirklich auftaucht, bin ich schon zu Fuß an der Weiherschleife angelangt …

Dort in der Weiherschleife werden übrigens (Halb-)Edelsteine nach historischem Vorbild geschliffen. Wer sich für diese Art der Steinbearbeitung interessiert, findet unter folgendem Link weitere Informationen: weiherschleife idar oberstein

 

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