02 Apr Wie ich an Karneval ohne Frau E. auf den Steinerberg wanderte
Kleine Anmerkung: Dieser Beitrag ist schon etwas älter, genau wie ich. Er stammt noch aus meiner Kölner Zeit. Da wärste aber auch früher oder später von selbst drauf gekommen.
Herr, gib mir Geduld, aber zackig
Also, Frau E. ist eine Nachbarin. Schon seit über 20 Jahren. Das wusste sie aber bisher noch nicht. Seit Kurzem wandert sie auch. Frau E. ist fast so alt wie ich, aber nur fast, aber auch nicht mehr ganz jung. Und weil sie nicht mehr ganz jung ist, hat sie’s mit den Füßen. Zurzeit besonders mit dem einen.
Weil die Füße beim Laufen immer weh tun, geht sie zum Orthopäden (das ist so ein Beruf angesiedelt irgendwo zwischen Hufschmied und Metzger). Der Orthopäde sagt: Schau’n wir mal, nimmt seine Werkzeugkiste mit Feile, Säge und so und schnippelt und feilt an dem einen Fuß rum. Er sagt: »So, probieren Sie mal!« Jetzt tut der Fuß richtig weh.
Da geht Wandern erst mal gar nicht. Es reicht mal gerade für Karneval, aber Karneval geht ja bei den Kölnern immer. Auch bei den alten. Weil sie halt nicht laufen kann, aber gerne wandern würde, sage ich: Ich hab ne Idee. Ich pack dich morgen ins Auto und dann fahren wir hoch auf das Steinerbergplateau, nehmen uns ’ne Thermoskanne mit Kaffee mit, ich besorg noch Kuchen, ’ne Unterlage und dann setzen wir uns in die Sonne und lassen uns den Wind durch die Klamotten wehen. Is ja auch schön.
Das heißt, ich sag es ihrem AB, weil sie ist ja nicht da. Is ja Karneval. Weil sie aber mit dem AB auch nicht so regelmäßig redet, erfährt sie das erst heute morgen. Ruft mich an, weiß noch nicht so recht, überlegt noch.
Ich, ich hab’s nicht mit den Füßen, ich hab’s mit dem Kopf. Der will immer durch die Wand. Kann nicht warten. Warten ist blöd. Ich will nicht immer warten, auch nicht auf Frau E. (Herr, gib mir Geduld, aber …). Irgendwann geht die Sonne ja auch unter. Also fahr ich gegen Mittag einfach los. Nach Mayschoß. Unterwegs ruft Frau E. dann an. Sie wär so gerne mitgefahren. Ja, hätt’se mal früher sagen sollen.
Ich in Mayschoß also los, rauf auf’n Berg. Auf bekannter Strecke. Ist aber irgendwie langweilig. An einer Wegverzweigung (links oder rechts) laufe ich geradeaus. Sieht aus, als wenn da mal ein Weg gewesen sein könnte. Steil geht es bergauf, mitten im Wald. Wär nix für Frau E. Da müsst ich sie noch schleppen. Das wär nix für mich. Dann ein Querweg – offensichtlich nicht viel benutzt. Also: links oder rechts? Nein, immer noch weiter gerade bergauf. Jetzt noch einen Ticken steiler. Dann auf der Spur eines Wildwechsels hinauf auf eine Steinkuppe (ohne Namen). Soll ja gut sein für die Beine. Apropos Trainig: Öfter muss ich nach Luft schnappen. Bin ja auch nicht mehr der Jüngste.
Mahnung: Nicht nachmachen, einfach quer durch den Wald ist nicht gerne gesehen, nicht hier, wo die teuersten Jagdreviere Deutschlands liegen.
Oben angekommen stehe ich mitten im Wald. Und nu? Karte ist nicht, ich weiß ja eh nicht, wo ich bin. Handy-App (Tourenplaner Gastlandschaften) ist auch nicht, ist ja schlechter Empfang. Also einfach der Nase nach. Und plötzlich steh ich an einem Weg, der mir bekannt vorkommt. Jepp, knapp fünf Minuten unterhalb des Steinerbergplateaus bin ich rausgekommen. Also Hänsel und Gretel wär mit mir nicht machbar.
Überraschung! Die Hütte auf dem Steinerberg ist heute sogar bewirtschaftet. Und das an Karneval. Ich dachte, an Karneval gäb’s im Ahrtal nur Karneval und sonst nix. Die eifern doch sonst so den Kölnern nach, nicht nur im Karneval. Aber Geschäft ist Geschäft. Und Karneval ist ein hartes Geschäft. Auch in Köln. Haste nix, dann biste nix, auch im Karneval.
Is ja auch nich so einfach, hier draußen in der Wildnis. In Köln erzählt man, dass die aus dem Ahrtal sich für diesen Karneval Coaches aus der »Hölle von Vettweiß« haben kommen lassen. Damit das mit dem Karneval mal richtig klappt.
Die Sonne scheint, der Wind weht wie erwartet. Schnee liegt keiner mehr. Ich schreib Frau E., es sei kalt und nass, dann regt sie sich nicht so auf. Is ja nicht mehr die Jüngste. Und dass ich jetzt nicht oben bleibe (ich hab ja keinen Kaffee und Kuchen dabei), sondern dass ich nach Rech weiterlaufe. Stimmt zwar nicht, aber irgendwas muss ich ja schreiben.
Ich will über den Schrock und die Krähardt zurück. Mach ich auch. Der Wald will mich becircen mit seinem warmen, weichen Licht. Damit ich meinen Ärger vergess. Klappt auch fast. Am Schrock herrscht Hochbetrieb (3 Leute), weshalb ich mich nicht lange aufhalte. Über den schmalen Felsengrat an der Rückseite steige ich ab Richtung Teufelslay.
Die spar ich mir diesmal aber, der Boden ist gefroren und teilweise rutschig. Ich bin ja nicht mehr der Jüngste. Also geht es am Fuß der Teufelslay vorbei zur Krähardt. Hier halte ich Ausschau nach einem günstigen Platz zum Zelten. Nicht für heute,ist ja viel zu kalt, aber vielleicht für’s Frühjahr. Aber wahrscheinlich ist das auch nicht erlaubt. Werd ich dann ja sehen. Oder auch nicht.
Von der Krähardt jetzt noch runter und rüber nach Mayschoß. Zum Bahnhof. Und dann ab nach Hause. Von Karneval habe ich nix mitbekommen. Gottseidank.
aurorawillwandern
Posted at 23:22h, 02 AprilHerrlich geschrieben!!
Hans Joachim Schneider
Posted at 12:37h, 03 AprilDanke Aurora. Tatsächlich sind mir meine bissigen Beiträge am liebsten. Aber dafür muss ich schon einen Aufhänger finden. In diesem Fall lag er auf der Hand. Liebe Grüße, Joachim