04 Nov AhrSteig blau in 2 Etappen: Tag 2
Mein zweiter Tag auf dem AhrSteig blau
Ihr erinnert euch? Ich will versuchen, den kompletten AhrSteig blau in zwei Etappen zu bewältigen. Am ersten Tag wanderte ich von Blankenheim bis nach Eichenbach. Das war etwas mehr als die beiden offiziellen ersten Etappen. Heute steht der Rest der Tour an: Von Eichenbach bis Kreuzberg. Das ist noch einmal ein wenig mehr als am Vortag und da war ich abends schon ziemlich erschöpft. Was wird also der neue Tag bringen?
Der Tag beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück
Gestern bin ich erschöpft und müde in Eichenbach ins Hotelbett gekrochen. Mein Schlaf war tief und fest. Am heutigen Morgen bin ich schon früh auf den Beinen. Frühstück gibt es morgens erst ab 9 Uhr, auf Wunsch aber auch früher. Der Frühstücksraum – es handelt sich um den kleineren der beiden Räume, in denen am Abend vorher gespeist wurde, ist fast leer. Außer mir sind nur zwei junge Männer beim Frühstücken. Wie ich später feststelle, sind es zwei Holländer, die sich an diesem Sonntag noch an den Berg- und Talfahrten des Ahrgebirges mit ihren Fahrrädern abarbeiten wollen. Ich würde nicht mal mehr den ersten Anstieg schaffen – so fühle ich mich. Ich spüre jeden Muskel und jeden Knochen in den Beinen. Also plaudere ich mit dem Gastgeber fast eine Stunde über Wanderer, Hotels und Touristiker im Ahrtal. Dann muss ich aber auch los.
Abweichung vom Plan
Ein paar Schritte bergauf, ich laufe an der Kapelle vorbei. Für ein kurzes Stück folge ich nicht dem AhrSteig, sondern dem örtlichen Vorschlag, dem auf der Höhe verlaufenden Verbindungsweg. Der AhrSteig führt hier erst einmal ein Stück talwärts. Ich genieße für ein paar Hundert Meter den Höhenweg und die Aussicht auf die herbstlich gefärbten Hänge oberhalb des Dreisbachtals.
Auf der Anhöhe stoße ich dann wieder auf den AhrSteig. Der kommt in schnurgeradem Anstieg von unten aus dem Tal. Was bin ich gerade froh, die Alternative gewählt zu haben.
Gleich geht es in den Wald hinein. Auch hier zaubert das Licht eine warme freundliche Stimmung. Schade, dass meine Kamera bei diesem Kontrastumfang einfach kapituliert. Ich muss mir sobald wie möglich wieder eine anständige Kamera anschaffen. Dieser Gedanke setzt sich allmählich fest.
Begegnung der dritten Art auf dem Ahrsteig blau
Im Wald geht es nun in Serpentinen talwärts. Kurz vor einer scharfen Linksbiegung des Weges öffnet sich links der Blick auf Fuchshofen. Von hier oben sieht es aus wie ein kleines Bergdorf. Weiter bergab. Kurz vor Straße nach Wershofen treffe ich noch ein junges Paar im Wald. Ihrem merkwürdigen Verhalten nach zu urteilen, gehören sie zu der noch jungen Rasse der Geo-Cacher. Auf meine diesbezügliche Nachfrage bestätigen sie mir meinen Verdacht.
Bei Streitenau führt mich die AhrSteig-Markierung über die Straße und gleich auch über die Ahr. Hinter Streitenau geht es gleich wieder in den Wald und nun kommt das Stück des AhrSteigs, das früher einmal meine Lieblingsetappe war.
Die Schulder Hardt, eine der schönsten Etappen am gesamten AhrSteig
Die Passage – meist auf halber Höhe der Schulder Hardt – ist über ein langes Wegstück ein Steig par excellence. Der enge Pfad windet sich am steilen Hang entlang durch den Buchenwald. Hin und wieder führt er aber auch zu leicht ausgesetzten Kuppen. Hier ist ein Ausblick auf das vor mir liegende Zwischenziel Schuld möglich. Leider ist diese Passage auch irgendwann zu Ende. Ich verlasse den Wald, laufe jetzt am Waldrand weiter. Unmittelbar vor Schuld noch einmal eine spektakuläre Wegpassage. Links fällt der Hang fast senkrecht ab. Gleich darauf bin ich in Schuld.
Einkehr in Schuld
Es ist kurz nach Mittag. Zeit für Einkehr. Angesichts der strahlenden Sonne zieht es mich in den kleine Biergarten des Hotels zur Linde. Allerdings ist es hier recht laut. Krakeelig laute Schunkelmusik beschallt die paar Tische, wo sich eine Gruppe junger Männer scheinbar schon etwas mehr als ein Bier gegönnt hat. Ich ziehe um nach drinnen. Die Wirtin weiß sofort weshalb. »Ist es Ihnen zu laut draußen?« Ich bejahe. Sie erzählt mir dann, dass die muntere Schar auf dem Weg nach Insul ist, wo gerade Oktoberfest gefeiert wird.
Nach der Pause setze ich meinen Weg fort. Er führt zunächst unten am Ahrufer entlang durch das Dorf, dann vorbei an drei, vier Wochenendhäusern und dann rechts wieder in ruhigere Gefilde. Eine Bank lädt ein zur Rast, aber die habe ich ja gerade erst hinter mir. Gleich darauf geht es links dann auf schmalem Pfad recht knackig bergan. Rechter Hand geht es steil in einen kleinen Einschnitt. ich bleibe stets oberhalb, bis es schließlich über eine kleine Brücke nach rechts auf die andere Seite geht. Weiter bergan durch den Wald, über ein, zwei Weggabelung, dann tritt der AhrSteig aus dem Wald heraus und führt nun fast wie ein Bergpfad durch das felsige Gelände oberhalb von Schuld bis zur Spicher Lay.
Schuld zum zweiten
Hinunter wieder zum Ortsrand von Schuld, wieder hinein in den Wald und dann ohne größe Höhenunterschiede Richtung Insul. Buntes Herbstlaub tanzt um mich herum, fällt langsam wirbelnd zu Boden. Kurz vor Insul geht es in Serpentinen bergab zum Ahrufer, an diesem dann entlang nach Insul hinein. Schon von weitem hört man die Gaudi vom Oktoberfest. Rundum sind fast alle Parkplätze belegt. Ganze Gruppen in Dirndl-Klamotten – neu und teuer eingekleidet versteht sich – sind unterwegs.
Was bringt vernunftbegabte Rheinländer eigentlich dazu, sich so unpassend aufzumotzen. Mir fällt Köln – meine alte Heimat – ein. Dort feiert man neuerdings Sommerkarneval. Scheinbar können die Menschen nicht genug an Party bekommen. Jede Gelegenheit wird genutzt, um die Sau rauszulassen. Und wenn es keine Gelegenheit gibt, dann werden Gelegenheiten importiert oder erfunden. Man feiert, sucht ständig neue Events um zu feiern. Ein Armutszeugnis. In meinen Augen der Beweis dafür, dass der innere Bezug zum Feierlichen schon längst verloren gegangen ist. Die Sensibilität für den eigentlichen Gehalt eines Feiertages ist verschwunden. Der Mensch feiert, weil er nicht mehr in der Lage ist, sich feierlich zu fühlen.
Dafür lebt ein Wanderer: Krönung auf der Dümpelhardt
In stetem Anstieg geht es nun hinauf auf die Dümpelhardt. Ich merke die Schwere in meinen Knochen. Aber die Aussicht von hier oben ist unvergleichlich. Rundum dehnt sich das Ahrgebirge. Das ist eine Feier für die Seele. Es sind immer nur wenige Schritte nötig, dann kann man nach und nach das Panorama in alle Himmelsrichtungen genießen. Hier öffnet sich mein Herz.
Aber ich will weiter, bin ja noch lange nicht am Ziel. Ein ausgedehnter Abstieg über steile Wiesen- und Waldwege, zuletzt über einen nicht wenig steilen schmalen Waldpfad bringt mich hinab nach Liers. Von dort geht es dann gleich wieder bergan. Nur der erste Anstieg ist steil und kräftezehrend, aber er ist nach hundert Metern schon zu Ende. Es wird vorerst der letzte schroffe Anstieg gewesen sein.
Mit weit weniger Steigung geht es jetzt Richtung Lind. Der Weg ist ein wenig zu gut befestigt, hat nur noch wenig natürlichen Charakter. Meist unter offenem Himmel geht es stetig Richung Lind. Die nächste Ansiedlung ist aber noch weit entfernt. Dass es trotzdem nicht einsam ist, dafür sorgt eine Freizeitsportgruppe, die auf halber Strecke ein Schwätzchen hält. Körperlich bin ich ziemlich am Ende. In diesem Zustand bin ich dann auch nicht mehr freundlich. Mein Wasser ist schon seit geraumer Zeit alle. Ich hoffe, dass ich in Lind irgendwo einkehren kann. Aber noch bin ich nicht da.
Mit letzter Kraft in den letzten Anstieg
Der Wald schließt sich um mich herum, aber nur kurz. Dann geht es kurz bergab und schon aus dem Wald heraus. Wegen Forstarbeiten muss ich einen Umweg machen. Jetzt kommt ein letzter langer Anstieg aus dem Tal hinauf nach Lind. Ich lasse die Linder Höhe links liegen und begebe mich schnurstracks ins Dorf. Aber es gibt keine einzige Kneipe am Weg. Ich bin jetzt in einem Zustand, in dem ich nur noch ein Bein vor das andere setzen kann. Bleibe ich stehen, wird mir schwindlig. Aber noch bin ich nicht in Kreuzberg. Würde mich jetzt einer fragen, ob er mich mitnehmen kann, würde ich vermutlich nicht nein sagen. Aktiv angehen will ich das allerdings nicht.
Es geht auf einem stark ausgewaschenen Weg aus Lind heraus. Nachdem ich die Landstraße von Ahrbrück nach Lind kurz tangiert habe, geht es noch einmal – wenn auch nur wenige Meter – ein Stück bergan. Dann taucht der Weg wieder in den Wald ein. Unangenehme Erinnerungen an den allerersten AhrSteig-Erlebnistag werden hier wach. Das macht meine Laune nicht besser. Der Forstweg macht einen weiten Rechtbogen durch den Wald. Irgendwann geht es dann links vom Weg ab, ein allerletzter steiler Anstieg, auch wieder nur wenige Meter, dann beginnt der lange, lange Abstieg nach Kreuzberg.
Zum Glück geht es nur noch abwärts
Meine Füße fühlen sich wie versteinert an, die Sehnen in beiden Schienbeinen schmerzen. Der Ahrsteig läuft – kaum habe ich Kreuzberg erreicht – direkt am hiesigen Bahnhof vorbei. Kurz blitzt der Gedanke durch meinen Kopf, hier einzusteigen und nach Hause zu fahren. Aber ich habe ja noch einen Tag frei. Ich weiß allerdings nicht, ob ich am nächsten Tag noch eine Tour schaffe und wenn ja, welche ich dann am besten angehe.
Erlösung in Kreuzberg
Aber ich beschließe, doch hier zu bleiben. Ich laufe am Landgasthof Weihs vorbei, meine Erfahrungen hier sind nicht die besten. Ich laufe bis zum Hotel Wurstkessel, leider sind dort keine Zimmer frei. Also zurück zum Landgasthof. Dort gibt es noch Zimmer. Der Juniorchef ist unfreundlich wie eh und je. Wieso hierher überhaupt noch Gäste kommen?
Später im Gespräch mit anderen Gästen erfahre ich, dass diese es ähnlich empfinden. Das Wichtigste: zunächst mal habe ich ein Zimmer mit Dusche. Aber als allererstes schütte ich mir gleich zwei große Gläser Radler in mich hinein. Dann hinauf aufs Zimmer, die Klamotten runter und unter die Dusche. Mein Shampoo fällt mir aus der Hand. Ich gehe in die Knie, um es aufzuheben, und komme fast nicht mehr hoch. Aller schmerzt, so schlimm war es nicht mal nach den 24 Stunden von Bernkastel-Kues.
Am nächsten Morgen: No miles and more
Am nächsten Morgen verzichte ich auf eine längere Tour, laufe ein Stück über den Ahrtalweg über Altenahr bis Mayschoß. Dort steige ich in den Zug und fahre bis Ahrweiler. Kurz nach Mittag habe ich dort noch eine Verabredung mit Michael vom Hotel Central . Und nach einem intensiven Gedankenaustausch über Touristik und Wandern im Ahrtal fahre ich dann rechtschaffen müde mit dem Zug nach Hause. Dass ich für eine Distanz von knapp 70 Kilometern (Luftlinie) mit der Bahn über 4 Stunden brauche, ist ein Hinweis für die Verbindungsqualität des deutschen ÖPNV.
Alle Infos zum AhrSteig blau (aber auch zum gesamten AhrSteig) findest Du unter ahrsteig.de
Die Website meiner Unterkunft in Eichenbach, die ich euch wärmstens empfehlen kann, lautet wiesengrund-eifel.de/
Ach ja, da war ja noch die freundliche Wirtin im Hotel-Restaurant zur Linde in Schuld. Dieses eignet sich hervorragend für die große Erholungspause gegen Mittag. Weitergehende Infos auch zum Hotel findest Du hier: Hotel-Restaurant-Café Zur Linde!
Und falls Du den Bericht über den ersten Tag noch nicht gelesen hast, kannst Du das hier nachholen: https://anders-wandern.de/ahrsteig-blau-in-2-etappen/
Die Beschreibung aller Etappen des AhrSteigs findest Du bei mir in hier.
Und unter folgendem Link findest Du ein paar allgemeine Hinweise zum Wandern im Ahrtal: Wandern im Ahrtal – aber richtig
Leni
Posted at 22:19h, 04 NovemberLieber Hans-Joachim, mir gefallen Deine Schilderungen wie immer sehr gut. Man meint glatt man wär mitgegangen. Schönen Dank für Deinen Bericht 😉 <3
Hans Joachim Schneider
Posted at 23:07h, 04 NovemberLiebe Leni, danke für Deine unterstützenden Worte. Ich freue mich über jeden Kommentar, denn wenn ich schreibe, sitze ich an meinem Rechner und weiß gar nicht, wie das Geschriebene ankommt. Deshalb sind solchen Nachrichten wie die von Dir ein Ansporn für mich, so weiterzuschreiben wie ich es tue. Nochmals Danke. Schöne Grüße, Joachim
Pingback:Ahrsteig blau in 2 Etappen von Blankenheim bis Kreuzberg
Posted at 17:51h, 07 Mai[…] Ob und wie es dann weiterging und ob ich den ganzen AhrSteig blau in zwei Tagen geschafft habe, kannst Du hier nachlesen. […]