Husum – Graue Stadt am Meer - anders-wandern.de
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Husum – Graue Stadt am Meer

Husum – ein etwas anderer Geburtstag

Was wünscht man sich zum Geburtstag, wenn man in einem Alter ist, indem man schon erfahren hat, dass weltliche Dinge nicht unbedingt glücklich machen? Immer wieder habe ich mich in den letzten Jahren bei der Frage, was ich mir zum Geburtstag wünsche, in der Situation wiedergefunden, dass ich ratlos mit den Schultern zuckte. Mir fiel nichts ein. Spenden statt Geschenke? Eine sinnvolle Aktion, aber ich habe bei solchen Aktionen von Freunden erfahren müssen, dass das nur Erfolg verspricht, wenn man ein großes Fest macht und eine Spendenbox aufstellt. Das große Fest aber hat sich 14 Tage vor meinem Geburtstag in Luft aufgelöst. Zu viele Freunde haben abgesagt.

Bücher? Bücher gehen immer, kommen in der Regel auch gut an. Ich bin ein großer Krimi-Fan. In diesem Fall aber hat ein Buch, das ich schon Wochen vor meinem Geburtstag von meiner Frau geschenkt bekam, die Schlüsselrolle gespielt. Es handelt sich um einen Regionalkrimi, der in Husum spielt. In diesem Krimi spielt Theodor Storm bzw. ein plötzlich aufgetauchtes Romanmanuskript, das dem alten Herrn zugeschrieben wird, die Hauptrolle. Also wünsche ich mir von meiner Liebsten einen Tag in Husum. Verbunden mit dem Wunsch ist die Bitte, sie möge sich soweit in das Leben und das Werk von Theodor Storm einlesen, dass sie mir eine Theodor-Storm-Führung angedeihen lassen kann.. Wobei, zum Zeitpunkt meiner Bitte weiß meine Frau schon so viel über den Autor des Schimmelreiters, dass sie sich nicht mehr viel Neues anlesen muss.

Bild am Eingang zum Theodor-Storm-Haus mit dem Foto des größten Dichters Schlesewig-Holsteins

Da haben wir aber nochmal Glück gehabt, das Theodor-Storm-Haus ist geöffnet.

Am Tag des Geburtstages geht es dann nach einem ruhigen Frühstück auf nach Husum. Berbel, so heißt unser kleiner Smart, ist nicht die Schnellste. So dauert es annähernd zwei Stunden, bis wir die Graue Stadt am Meer erreichen. Sofort finden wir ganz in der Nähe des Zentrums einen Parkplatz. Und da uns mittlerweile die Mägen in den Knien hängen, gilt es erst einmal, etwas gegen den Hunger zu tun

Das Angebot an Restaurants am Hafen ist üppig – zu meiner Überraschung. Die Titulierung als Graue Stadt am Meer hat in meiner Phantasie ein Bild eines kleinen unscheinbaren Städtchens erzeugt. Das Gegenteil ist der Fall. Am Hafen reiht sich ein Restaurant ans andere, dazwischen Eisdielen und Cafés.

Wir suchen nicht lange, sondern lassen uns von der ausführlichen Fischkarte eines Restaurants direkt zu Beginn verführen, dort Platz zu nehmen. Wir sitzen draußen, im Sonnenschein, und beobachteten den Aufbau von Buden und Verkaufsständen zum anstehenden Hafenfest. Gesättigt machen wir uns dann auf den Weg, die Stadt Theodor Storms zu erkunden.

Blick über den Hafen, eine Möwe plustert sich auf, hier wirkt der Husum tatsächlich etwas grau

Eine Möwe bemüht sich um unsere Aufmerksamkeit (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Der Hafen ist übersichtlich, sprich: nicht allzugroß. Die Sonne scheint, zeitweilig verdeckt von unruhigen fliegenden Wolken. Leichte Böen führen zu kabbeligem Wasser im Hafenbecken. Eine einzelne Möwe plustert sich vor uns auf. Wir verlassen das Hafengelände über die erstbeste Zufahrtsstraße, wo wir allerdings von einer großen Brombeerhecke aufgehalten werden. Große vollreife Beeren gibt es hier zu ernten, ein willkommener Nachtisch.

Zufahrtsstraße zum Husumer Hafen

Auf diesem Sträßchen verlassen wir den Hafen und bleiben schließlich an einer Brombeerhecke hängen (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Jetzt ist es nicht mehr weit bis zur Wasserreihe, jenes Sträßchen, in dem das Theodor-Storm-Haus steht. Während ich noch draußen Fotos mache, hat meine Liebste schon Eintrittskarten erstanden. In dieses Haus ist Theoder 1866 mit seiner zweiten Frau Dorothea und den sieben Kindern aus seiner ersten Ehe eingezogen.

Großer Raum mit den originalen Tischen und Stühlen aus der Zeit Theodor Storms

Ein wenig museal, aber trotzdem eindrücklich: Das erste große Zimmer im Theodor-Storm-Haus (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Hier wohnt er bis 1880, übt zunächst sein Amt als Landvogt aus. Als er dieses zwei Jahre nach dem Einzug aufgrund der preußischen Verwaltungsreform verliert, wird er zum Husumer Amtsrichter berufen. Nach seiner frühzeitigen Pensionierung zieht er um nach Hademarschen, wo er 1888 stirbt.

Theodor Storm und seine Familie

Die Fotos zeigen Theodor Storms erst und zweite Ehefrau sowie die sieben Kinder (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Zu sehen sind die Landvogtei im Erdgeschoss, in der er sein Amt als Landvogt ausübt, ein Wohnzimmer, sein Poetenstübchen, das er sich eingerichtet hat, um seiner schriftstellerischen Tätigkeit nachzugehen; das alles ausgestattet mit allerhand original erhaltenen Gegenständen aus dem Alltag der Familie.

Eingang zum Theodor-Storm-Haus in Husum, rechts der Weg zum Garten mit dem alten Brunnen

Auch das Haus von außen sowie Garten und Hinterhof mit dem alten Brunnen sind nach Möglichkeit wie zur Zeit des Dichters wieder instand gesetzt (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Es gibt ein Schimmelreiter-Zimmer. Richtig, hier ist alles dem bekanntesten Werk des Dichters gewidmet. In der Ecke zwischen Tür und Fenster kann man sich einzelne gelesene Passagen aus dem Schimmelreiter anhören.

Frau im Schimmelreiter-Zimmer, die sich gelesene Passagen aus dem Werk anhört

Meine Liebste hört sich den Schimmelreiter an (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Auch das Grundstück in der Wasserreihe 31 ist möglichst originalgetreu wieder hergerichtet. Im Hof steht ein Brunnen – nach altem Vorbild errichtet. Meine Liebste tut dazu ihr Bestes, um die Ausstellung mit weiteren Details aus dem Leben und dem Werk dieses Dichters zu ergänzen.

Vers aus Theodor-Storm Werk auf einem Stoff-Display

Auf großen Stoff-Würfeln sind Auszüge aus Stormwerken abgedruckt

Irgendwann kommt dann bei mir der Punkt, wo ich mit Eindrücken so gesättigt bin, dass nichts mehr reingeht. Wir trödeln draußen noch ein wenig auf dem Grundstück herum, erkunden Ecken und Nischen. Gegenüber vom Storm-Haus entdecke ich ein Antiquariat, das sofort mein Interesse weckt. Natürlich trage ich zwei Bücher mit nach Hause.

Blick in den Hausflur eines Antiquariats, vom Boden bis zur Decke sind die Regale voller Bücher

Was für ein Anblick für einen Bücherliebhaber: Vom Boden bis zur Decke sind die Regale voller Bücher (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Wir laufen weiter durch die Innenstadt. Hier – wie vielerorts – kämpft alte Bausubstanz gegen das drohende Übergewicht schmuckloser moderner Neubauten. Auch wenn man hie und da versucht hat, die Elemente der alten Architektur – wie Form (Treppengiebel) und Baumaterial (Backstein)–  aufzugreifen, so fallen die Neubauten doch sofort durch ihre Einfaltslosigkeit auf.

Blaue Haustür mit roten und dunkelblauen Zierelementen: das macht die Schönheit der Altstadt Husums aus

Die schönen Seiten der Altstadt (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Eigentlich warten wir darauf, dass sich der Hunger für das Abendessen einstellt, aber da wir nach dem Besuch im Storm-Haus noch in einer Eisdiele eingekehrt sind, haben wir einstweilen keinen Appetit.

Kleines buntes Künstler-Café im Herzen der Husumer Altstadt

Wie schade, dass unsere Bäuche schon so voll sind. Gerne wäre ich noch im Künstler-Café im Herzen von Husum eingekehrt (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Wir schlendern noch über den riesigen Marktplatz, wo vor dem Tine-Brunnen ein Riesenrad aufgebaut wird. Wir setzen uns auf ein paar Treppenstufen, beobachten Krähen und einen hageren Mann, der aus der Zeit gefallen scheint. Ruhig sucht er in Papierkörben nach Flaschen, die er wegen des Pfandes einlösen kann. Er tut dies nicht verschämt, wie manch anderer. Dazwischen füttert er die Krähen, die schlau und listig auf dem Grün der Wiese vor der Marienkirchen herumhüpfen.

Der Brunnen mit der Tinefigur vor der Marienkirche auf dem Marktplatz in Husum

Die tapfere Tine mit dem Ruderblatt in der Hand blickt schon viele Jahre unermüdlich in Richtung Meer (Foto: Wolfgang Claussen/Pixabay)

Nachdem wir uns hier ein wenig ausgeruht haben, werden wir uns schnell einig, dass wir nicht wirklich Hunger haben. Auch an Eindrücken habe ich so viel in mir aufgenommen, dass ich dankbar bin,  jetzt nach Hause zu fahren, anstatt uns noch irgendwo den Magen vollzuschlagen. Warum bin ich nicht früher auf die Idee gekommen, meine Geburtstage auf diese Art und Weise zu feiern? Nun, es ist ja nicht mein letzter Geburtstag gewesen.

 

 

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