19 Okt Nach der Eröffnung der Geyerlay-Hängebrücke: Adrenalin langsam ausschleichen!
Geierlay-Hängebrücke und Skywalk: Was will der Wanderer mehr?
Vom Nervenkitzel und Abgründen
Die Eröffnung der Geierlay-Hängebrücke war geschafft. Sie ist in einem Extra-Artikel beschrieben. Was kann man nach so einer Adrenalin-Überdosis im Hunsrück noch anstellen? Nun für den nächsten Tag ist noch eine Vitaltour bei Langenlonsheim angesagt. Aber auch der Samstag ist noch jung.
Skywalk? Ein Skywalk! Was hält uns noch?
Meine Schwester (die beste Schwester der Welt) erwähnt fast beiläufig, dass wir ja auf der Fahrt von Kastellaun runter zur Nahe in Hochstetten-Dhaun vorbeikommen. Da könnten wir uns doch den dortigen Skywalt anschauen. Skywalk? Das erinnert an faszinierende Glasbrücken über schwindelerregenden Abgründen. USA und China fallen mir ein. Mir ist, als hätte ich auch schon vom Skywalk an der Nahe gehört oder gelesen.
Die Fahrt quer durch den Hunsrück ist traumhaft, genau wie das Wetter. Die kurvenreichen Landstraßen wären auch wunderbar mit dem Motorrad zu fahren. Aber jetzt haben wir halt einen VW-Bus unterm Hintern, das ist fast genauso schön. Ich liebe diese Autos. Noch ist alles grün, die ersten Farben zeigen sich aber schon im Laub der Bäume und des Weines.
Wir erreichen das Nahetal, sind schnell auch in Hochstetten-Dhaun. Ich halte Ausschau nach einem Hinweis zum Skywalk. Fehlanzeige. Bin ich vielleicht falsch? Oder bin ich von meiner Schwester veräppelt worden? An der ersten Kreuzung im Ort biege ich ab, nutze aber die Gelegenheit, einen entgegenkommenden Autofahrer nach dem Skywalk zu fragen. Ich muss zurück zur Hauptstraße, ein kleines Stück weiter, dann rechts hoch. Und tatsächlich, hier an der Kreuzung dann auch das erste Schild. Es geht aus dem Ort heraus, dann ein, zwei schöne Serpentinen und wir befinden uns am ausgewiesenen Parkplatz, der am Eingang zum Ortsteil St. Johannisberg liegt. Die Einfahrt in den Ort ist nicht erlaubt. Weshalb , das werde ich später verstehen.
Also zu Fuß durch das kleine Dorf, das am Hang oberhalb der Nahe liegt. Dafür, dass es hier einen Skywalk geben soll, ist es verhältnismäßig ruhig. Obwohl, der Parkplatz ist voll. Die Sonne, die Stille, das dörfliche Ambiente, das alles fühlt sich wie ein Spätsommertag an.
No glass, no risk, no fun!
Und plötzlich liegt er vor uns – der Skywalk. Aber was ist das? Kein Glasboden? Also kein Nervenkitzel? Auf den Glasboden hat man aus Kostengründen verzichtet, lese ich später irgendwo im Internet, stattdessen steht man auf deinem stabilen Gitterrostboden, der sich sieben Meter über die Hangkante eines ehemaligen Steinbruchs hinaus ins Freie schiebt. Siebzig Meter sollen es bis ganz unten, bis zum Höhenniveau der Nahe, sein, mir kommt es weniger vor. Das liegt auch daran, dass die Wand des Steinbruchs nicht senkrecht abstürzt, so hat man unter der Plattform an der äußersten Kante vielleicht eine Fallhöhe von 30 oder 40 Metern (grob geschätzt). Die ganze Plattform ist ca. 65 qm groß. Bei der Geierley-Hängebrücke am Morgen wusste ich, dass auf jeder Seite sechs Anker je 25 Meter tief im Fels verankert sind. Hier vom Skywalk weiß ich nichts.
Aber das schmälert meine Angst nicht, denn die habe ich erst gar nicht. Anders die Frau an meiner Seite. Dort wo die Hangkante abbricht, also dort wo man keinen festen Boden mehr unter dem Gitterrostboden hat, zögert sie, mehrfach. Dabei war sie morgens so mutig auf der Hängeseilbrücke. Ich locke sie, rede gut zu. Sie sammelt sich, schließt die Augen, geht los.
Sie wird doch nicht? Doch tut sie, sie geht auf den erstbesten Mann zu, der dort am Geländer steht und klammert sich für einen Moment an ihm fest. Der versteht das wohl nicht falsch. Er gehört zu einer Gruppe von Männern, die alle das gleiche T-Shirt tragen. Sie alle kommen aus der Ecke von Kastellaun, wollen sich aber die das Spektakel Hängeseilbrücke erst anschauen, wenn der erste Rummel vorbei ist.
Weil ich ein Mädchen bin …
Einem von ihnen geht es wie der Frau an meiner Seite. Er traut sich nicht, immer noch nicht. Woraus sie dann das Recht ableitet, ihn lauthals als »Mädchen« zu titulieren. Ja, so schnell werden aus Angsthasten Großmäuler.
Idylle direkt am Wegrand
Die Aussicht ist ein wenig diesig, es hält uns nicht lange auf der Plattform. Auf dem Rückweg durch das Örtchen genießen wir noch dessen ruhige Schönheit. Die Stiftskirche lockt uns. Auf der Wiese hinter der Kirche herrscht fast eine Friedhofsruhe, dies aber im besten Sinne. Wir genießen diese Momente, kosten die Stille und den Frieden aus.
Diese Ruhe sehen wohl einige Dorfbewohner gefährdet. An einer ehemaligen Stalltür hängt jedenfalls ein Schild, das darauf hinweist, dass nicht alle Dorfbewohner mit dem Skywalk glücklich sind, weil sie den Rummel fürchten. Ich kann das gut nachvollziehen. Ich frage mich, was das Örtchen selbst von dem Tourismus hat, der durch den Skywalk angezogen wird.
Next Stop is Bretzenheim …
Wir fahren los Richtung Bretzenheim. Die Strecke durchs Nahetal kommt mir noch bekannt vor aus meiner Jugendzeit im Hunsrück. Aber es hat sich auch viel verändert. An Bad Kreuznach vorbei, schließlich Ankunft in Bretzenheim. Einchecken im reservierten Hotel. Nicht unfreundlich, aber richtig freundlich geht anders.
Schnell die Sachen aufs Zimmer bringen, dieses ist ganz in Ordnung. Allerdings: WLAN hat es hier nicht. Der Ort selbst wirkt ziemlich tot. Im einzigen offenen Restaurant von Bretzenheim gibt es keinen Platz mehr, höchstens draußen, aber das ist uns zu kühl, denn der Himmel hat sich zugezogen, die Sonne ist verschwunden. Neuer Plan: Auf nach Bad Kreuznach. Dort erst einmal ein kleiner Spaziergang entlang der Nahe, dann in die Salinen, eine Viertelstunde. Es ist fast wie in der Kirche. Nur der Pfarrer fehlt, der predigt. Dafür tuschelt die Dame vor uns die ganze Zeit.
Zum Abendessen schlage ich die Nahe.Wein.Vinothek vor. Dank der Pressereise Anfang September kann ich so tun, als wär ich hier zu Hause. Die Vinothek ist fast leer, der Sommelier ist aufgekratzt. Aber wir finden nicht den richtigen Wein, es passt nicht heute Abend.
Also weiter. Wir landen schließlich beim Italiener in der Fußgängerzone. Auch hier ist viel los, aber draußen hat er wenigstens Heizschirme. Die Bedienung ist freundlich, bei den Preisen (fast wie in Düsseldorf) muss das auch drin sein. Am Ende sind wir zufrieden, meine Stimmung allerdings leicht getrübt.
Und falls Du meinen Bericht über die Eröffnung der schönsten Hängeseilbrücke Deutschlands noch nicht gelesen hast, dann klicke einfach auf diesen Link:
Susanne
Posted at 16:41h, 20 OktoberSuper Artikel, da will ich sofort hin!
Hans Joachim Schneider
Posted at 18:39h, 26 OktoberLiebe Frau Susanne, nun haben wir es schriftlich. Die Kommentarfunktion tut es wieder.
Herzliche Grüße
Joachim