Steinerberg – auf die harte Tour
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Steinerberg – auf die harte Tour

Zum Gipfelfest am Steinerberg?

Freitagnachmittag, keine Pläne für das Wochenende. Lethargie breitet sich langsam aus. Ich flüchte mich in den Park am Decksteiner Weiher. Dort unter einer riesigen Trauerweide steht eine Bank, auf der ich mich niederlasse. Da klingelt das Handy. Bruno ist dran. Ob ich Lust auf eine kleine Tour hätte. Schlagartig ist die Lethargie dahin. Ja, klar. Eine kleine Tour bei Rech schlägt er vor. Was ist eine kleine Tour? So elf, zwölf Kilometer. Einmal hoch zum Steinerberg und wieder runter. Hört sich gut an. Warum nicht? Wir verabreden uns für den nächsten Morgen um zehn in unserem Café.

Kurz nach zehn sind wir tatsächlich auf der Straße, unterwegs ein kleiner Zwischenstopp, um das Panorama oberhalb von Dernau wieder einmal in uns aufzunehmen (und in die Weinberge zu pinkeln). Kurz nach elf starte ich die GPS-Aufzeichnung am Parkplatz in Rech.

Start in Rech – nichtsahnend

Wir gehen durch den kleinen aufgeräumten Ort, verlassen Rech auf dem ehemaligen AV1. Links und rechts erhebt sich dunkler Nadelwald auf alten Weinbergterrassen. Schnell haben wir unser Tempo gefunden. Wir gehen es beide scharf an. Die Steigung an dieser Stelle ist eine echte Herausforderung. Dort wo der AV 1 nach rechts abbiegt, gehen wir weiter geradeaus – wir wählen die »Direttissima«. Also möglichst ohne große Schwenks in direkter Linie Richtung Gipfel (nun gut, Gipfel ist an dieser Stelle vielleicht etwas übertrieben).

Es geht weiter steil bergan. Die Beine fühlen sich allmählich schwer an, aber wir behalten unser Tempo bei. Auf dieser Strecke kennt sich Bruno besser aus als ich. Er blickt regelmäßig auf seinen Höhenmesser. Bei seiner ersten Ansage haben wir ca. 200 Höhenmeter geschafft, und das nach knapp 20 Minuten.

Für ein kurzes Stück wird der Weg etwas flacher, dann zieht die Steigung wieder an. Gott sei Dank habe ich leichte Laufschuhe an den Füßen, nicht die schweren Bergstiefel.

Unterwegs erzählt Bruno von seiner neuesten Errungenschaft: einem Zeckenschutz, an dem die Tiere einfach herunter fallen. Er will es mir vorführen, sobald wir oben auf dem Steinerberg sind. Ich bin neugierig.

Stolz wir Oskar …

Nach guten weiteren 20 Minuten haben wir den Kammweg (den ehemaligen AV2) erreicht. Der Blick auf die Karte bzw. den Höhenmesser verrät uns, dass wir jetzt über 420 Höhenmeter (von 121 m in Rech auf 545 m am Kamm) in knapp 45 Minuten bewältigt haben. Und wir stehen beide noch auf den Beinen. Wir sind stolz wie Oskar.

Immer wieder ergreifen: das Panorama vom Steinerberg Richtung Süden

Immer wieder ergreifen: das Panorama vom Steinerberghaus Richtung Süden (Foto: Knopp)

Auf dem alten AV2 geht es jetzt leichten Fußes zum Steinerbergplateau. Als wir aus dem Wald treten, erschrecke ich. Bierbänke und Bierwagen, Kuchen und Kaffeestände, Bonverkauf, jetzt fehlt nur noch Blasmusik. Aber noch ist wenig los. Die Verkäuferinnen der Imbiss- und Bierwagen treffen letzte Vorbereitungen.

… und dann die schreckliche Erkenntnis

Es fällt mir wie Schuppen von den Augen: »Vier Tage – vier Gipfel«, die jährliche Veranstaltung von Ahrtaltourismus. Der Steinerberg ist vermutlich einer der diesjährigen Zielpunkte. Ich bin froh, dass es noch so ruhig ist. Ich schnappe Gesprächsfetzen auf: Wann starten die denn in Rech? Komisch, ich habe dort keine größere Anhäufung von Wanderern gesehen. Vermutlich waren wir einfach rechtzeitig genug unterwegs.

Ganz in Grün bestimmen die Hügel der Südeifel das Bild, das der Wanderer vom Steinerberg aus hat

Kein Stress, kein Lärm, Grün für das Auge – Ruhe für die Seele (Foto: Hans-Joachim Schneider(

Bevor nun ganze Horden über den Steinerberg herfallen, gönnen wir uns Kaffee und Kuchen bzw. eine Bratwurst. Bruno löst sein Versprechen ein und packt seine „Antizeckenwaffe“ aus. Eigentlich handelt es sich nur um eine Jacke, die zugehörige Hose hat er schon unter seine Wanderhose gezogen. Die Jacke besteht aus einem dünnen netzartigen Gewebe, das mit Chemikalien zur Zeckenabwehr getränkt ist. Es handelt sich um ein leichtes Nervengift, das das Nervensystem von Insekten beeinflusst. Die Zecken können sich nicht mehr halten – und fallen herab. Nach dieser Erklärung der Funktionsweise wenden wir uns dem weiteren Verlauf der Tour zu.

Ob wir nicht doch die Tour ein wenig ausweiten wollen, fragt mein Mitwanderer. Vom mir aus gerne. Ich schlage vor, anstatt direkt wieder nach Rech runterzulaufen, Richtung Mayschoß abzusteigen, dabei der Saffenburg einen Besuch abzustatten und dann über den Rotweinwanderweg – also auf der anderen Seite der Ahr – zurückzulaufen.

Steinerberg – reicht uns nicht

Auch diesmal sind wir uns schnell einig. Also weiter, Bruno in seinem Kampfanzug. Ich wähle nicht den Weg über die »Flucht nach Ägypten«, sondern eine Alternative, die etwas weiter westlich verläuft. Der Abstieg zieht sich mit mäßigem Gefälle dahin. Unterwegs sucht Bruno nach Zecken, so kenne ich ihn gar nicht. Er will unbedingt die Funktionstüchtigkeit seiner Neuerwerbung testen. Aber es ist sonnig und trocken, da ziehen sich die Viecher lieber in den kühlen und feuchten Schatten zurück.

Die Strecke, die wir wählen, ist eine Fundgrube an geologisch hochinteressanten Aufschlüssen. Mehrmals bleiben wir stehen, ich zapfe Brunos reiches Wissen über die Geologie der Region an. Aber auch ohne dies Wissen beeindruckt mich die Tatsache, dass ich hier Jahrtausende, wenn nicht Jahrmillionen, an Erdgeschichte unmittelbar vor Augen habe.

Gesteinsaufschluss am Weg zum Steinerberg: Schieferkalt von Fleichten durchzogen, in vielen Farben schimmern

Millionen Jahre Erdgeschichte offenbart dieser geologische Aufschluss auf einen Blick (Foto: H.-J. Schneider)

Wir erreichen die Saffenburg, wo ebenfalls wenig los ist. Sie gehört dieses Jahr auch nicht zu den »Vier Gipfeln«. Ein kurzer Besuch, ein kleiner Rundgang über das Plateau. Ein neuer Anlauf von Bruno. Sollen wir die Tour nicht noch ein wenig weiter ausdehnen? Er möchte jetzt auf 20 km Gesamtstrecke kommen. Warum nicht? Schaffen wir.

Ein Blick von der Saffenburg zum gegenüberliegenden Hang, ein Wanderweg mit vielen Menschen: der Rotweinwanderweg

Gottseidank nicht unser Stau: Wanderautobahn Rotweinwanderweg an einem Oktoberwochenende (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Stau auf der Autobahn

Durch Mayschoß hindurch suchen wir den Anschluss zum Rotweinwanderweg. Bruno erzählt Anekdoten über Ortsansässige. Auf dem RWWW kann er sich nicht den Hinweis auf die »Wanderautobahn« verkneifen. Dass es auf dieser Autobahn auch Staus gibt, erfahren wir kurz darauf an der ersten Engstelle gegenüber der Saffenburg.

Aber nicht hohes Verkehrsaufkommen ist hier schuld, sondern zwei Mountainbiker, die die Felsstufen, über die der Weg hier führt, nicht mit ihren Rädern schaffen. Wie auch! Sie werden uns noch öfter aufhalten. Wer erlaubt nur solchen Unsinn? Nun, die zuständigen Touristiker wollen es sich scheinbar mit keinem verderben. Ich merke, wie ich mich zum ersten Mal an diesem Tag ärgere.

Irgendwann schaffen wir es an den beiden vorbei. In meiner Fantasie bereite ich mich schon auf den Moment vor, wo sie von hinten kommen und an uns wieder vorbei wollen. Aber das geschieht – zu ihrem Glück – an einer Stelle, wo der Weg sehr breit ist. An ein, zwei Engstellen kommen wir jeweils auf ein paar Schritte heran, aber sie sind dann doch immer rechtzeitig wieder auf dem Rad. Irgendwann verliere ich sie endlich aus den Augen.

Das ist die Frage aller Fragen

Auf der Höhe von Rech biegen wir nicht Richtung Ort ab, sondern bleiben auf dem RWWW. Bei der Steinbergsmühle kurz vor Dernau wechseln wir die Ahrseite und laufen jetzt durch das wildwuchernde Grün der Ahrauen Richtung Rech. Bruno bewegt jetzt nur noch eine Frage: Schaffen wir es auf 20 Kilometer – und wo gibt’s danach einen guten Spätburgunder?

Grüne Hölle: Üppig wuchert die Natur in den Ahrauen nahe Rech

Grüne Hölle: Üppig wuchert die Natur in den Ahrauen nahe Rech (Foto: H.-J. Schneider)

Wir schaffen die zwanzig Kilometer. Zwar ganz knapp, aber Bruno ist zufrieden. So weit lief er inklusive dieser heftigen „Bergwertungen“ schon drei Jahre nicht mehr. Und im Hof Bärenbach, wo ich immer wieder gerne einkehre, treffen wir dann noch auf eine Bekannte von ihm aus Köln. Wenn nicht, hätte ich mich auch gewundert. Alles in allem ein runder Tag.

Eine einzelne zarte Blüte der Hundsrose offenbart die ganze Schönheit der Natur

Braucht die Natur den Menschen, um ihre Schönheit zu bezeugen? (Foto: H.-J. Schneider)

 

 

 

1 Comment
  • Pingback:Ahrtal erleben: Tag 4 – Ratlos im Sattel – Anders Wandern
    Posted at 16:45h, 18 Mai

    […] Dort wo der Weg den Ort verlässt, stehen Fichten für den früheren Wanderer Spalier. Ich tauche ein in den Schatten des dunklen Nadelwaldes, was mich noch mehr frösteln lässt. Stetig geht es bergan. Das bringt meinen Körper langsam auf Betriebstemperatur. Den gleichen Weg habe ich schon mal mit Freund Bruno vor ein paar Jahren gemacht (Beitrag: Steinerberg – auf die harte Tour). […]