Barfuß wandern auf dem AhrSteig
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Barfuß wandern auf dem AhrSteig

Es war schon seit einiger Zeit geplant, am vergangenen schwül-heißen Wochenende nun wollte ich den Plan in die Tat umsetzen: eine ganze Etappe auf  dem Ahrsteig barfuß  wandern. Was sag’ ich. Eine ganze Etappe – die schönste Etappe des Ahrsteigs sollte es sein: die von Aremberg über Eichenbach, weiter über die Mertesnück, dann  hinunter nach Streitenau und von hier über das Filetsteck dieser Etappe, entlang am Hang der Schulder Hardt nach Schuld und schließlich bis zum Etappenende in Insul.

Früher Vogel …

Wegen des schwül-heißen Wetters (im Nachhinein stellte sich heraus, dass es das heißeste Wochenende dieses Sommers war) starten wir schon ganz früh. (Wir, das sind mein Bruder, der diesmal einen Großteil der Fotos gemacht hat, und ich). Treffen ist um 8 Uhr in Insul am Wanderparkplatz hinter der Ahrbrücke. Das heißt, um 7 Uhr in Köln losfahren. Ich bin pünktlich, mein Bruder ist schon da. Wegen der schlechten Verkehrsverbindungen mit den Öffentlichen lassen wir ein Auto in Insul stehen, fahren mit dem zweiten nach Aremberg, wo wir unsere Tour starten.

Schnell sind wir oben auf dem Aremberg-Plateau an der Stelle, wo sich der Ahrsteig rechts in die Büsche schlägt. Weil ich weiß, dass dieses Wegstück durch ausgedehnte Brennesselbestände führt, habe ich hier die Sandalen noch an den Füßen. Sobald wir aber den Querweg im Wald erreicht haben, heißt es Schuhe ausziehen.

Barfuß wandern: Hier der Beweis: Auf dem nassen Gras läuft es sich besser als auf den Steinen

Hier der Beweis: Auf dem nassen Gras läuft es sich besser als auf den Steinen (Foto: Norbert Schneider)

Probleme gleich zu Beginn

Ausgerechnet der Beginn ist steinig. So eiere ich am Wegrand auf dem Gründstreifen entlang, achte sehr darauf, wo mein Fuß hintritt. Bald aber geht es besser. Kurz vor Eichenbach belädt ein älteres Ehepaar den Anhänger eines Traktors mit Holzscheiten. Als die Frau sieht, dass ich barfuß laufe, kann sie sich ein lautes Lachen und ein paar ironische Bemerkungen nicht verkneifen. Sie sind die einzigen Menschen, die wir an diesem Tag auf dem Ahrsteig treffen.

Ein Waldweg, ein Traktor, ein älteres Paar, das Holz auf den Anhänger lädt.

Barfuß wandern: Die Dame konnte sich ein Lachen und einige bissige Bemerkungen nicht verkneifen (Foto: Norbert Schneider)

Was uns dagegen massenhaft begegnet bei dieser Tour, sind blutgierige Bremsen. Sobald wir ein offenes Wiesenstück erreichen, stürzen sie sich auf uns. Dann kurz vor dem erneuten Eintritt in den Wald eine erste Überraschung. Auf dem Weg liegt fast regungslos ein Tier, das man sonst meist nur noch zerstückelt, weil zertreten oder überfahren, zu Gesicht bekommt. Eine veritable Blindschleiche von fast 40 cm Länge.

Blindschleiche in der Hand des Wanderer, barfuß wandern

Noch ein Beweis: eine lebendige Blindschleiche (Foto: Norbert Schneider)

Erste Ernüchterung

Auf der Mertesnück dann die erste Ernüchterung: Wir sind wesentlich langsamer unterwegs als sonst, das hat natürlich mit dem Barfußlaufen zu tun. Während ich normalerweise bei meinen Wanderungen einen Schnitt von ca. 5 km pro Stunde erreiche, haben wir jetzt nach gut 75 Minuten mal gerade etwas mehr als 4 km geschafft. Aber zunächst genießen wir die Aussicht über das Tal des Dreisbaches hinweg auf die gegenüberliegenden Höhen.

Sonne, blauer Himmel, Herbst, Tal, Wiese und buntgefärbte Bäume am Ahrsteig blau

So sieht der Blick auf die Hügel oberhalb des Dreisbachtals im Herbst aus (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Dann geht es Gott sei Dank wieder in den Wald, keine Bremsen mehr. Meine Füße sind mittlerweile schon grau-schwarz, die Wege sind doch meistens noch feucht vom Nachttau, Staub und Dreck tun ein Übriges. Der Tau tut unheimlich wohl an den nackten Füßen. Im Wald läuft es sich angenehm auf dem weichen Boden. Aber als Stadtmensch habe ich immer noch sehr empfindliche Fußsohlen. Worüber ich mir während der Wanderung möglichst keine Gedanken mache, sind Zecken. Zecken habe ich mir bisher bei fast jeder Wanderung eingefangen, egal ob ich barfuß, mit Sandalen oder in hochgeschlossenen Wanderschuhen unterwegs war.

… und dann der Fehler

Schnell sind wir unten im Tal (mein Bruder möchte unbedingt noch den stillgelegten Bahntunnel inspizieren, der kurz vor Straße rechter Hand durch den Berg führt, da ich aber keine Lust dazu habe, ist er schnell wieder zurück. Er phantasiert von Stephen King, ich erzähle ihm etwas über geplante Fahrradwege auf stillgelegten Bahntrassen). Wir erreichen die Straße im Tal, queren die Ahr, biegen in Streitenau wieder ab Richtung Wald. Und dort dann mit akzeptabler Steigung bergan. Mitten im Anstieg eine Bank, schneller als ich gucken kann, hat sich mein Bruder zu einer Pause niedergelassen.

Für mich von Nachteil, wie sich später herausstellt. Bis jetzt ist es trotz der unterschiedlichsten Untergründe gut gegangen mit dem Barfußlaufen. Aber die Pause haben meine Fußsohlen wohl falsch verstanden. Sie denken, die Wanderung ist zu Ende und stellen wieder auf empfindlich um. Nach der Pause eiere ich wieder genauso herum wie zu Beginn. Bald kommt auch der Punkt der Entscheidung. Ausgerechnet als wir auf das schönste Stück dieser Königsetappe einbiegen, merke ich, es geht nicht mehr. Der Steig auf halber Höhe des Hangs ist so steinig, dass ich schnell merke, dass ich kaum noch vorwärts komme. Jede Schnecke könnte mich jetzt überholen.

Plötzlich Konkurrenten: Mann gegen Schnecke – barfuß wandern geht langsam voran (Foto: Norbert Schneider)

Plötzlich Konkurrenten: Mann gegen Schnecke (Foto: Norbert Schneider)

Ein Mann weiß, wann er aufgeben muss

Da ich aber nicht fanatisch an meinem Vorhaben klebe, ist die Entscheidung schnell gefallen: Ich ziehe nach etwas mehr als 10 km (seit Aremberg) die Sandalen wieder an. Ein (vorgezogenes) Fazit: Barfuß-Wandern macht Spaß, vor allem, wenn es durch feuchtes Gras, durch Matschpfützen oder über weichen Waldboden geht. Vor allem ist es gesund und schult wieder unsere natürlichen Laufreflexe. Aber steinige Strecken muss ich nicht barfuß laufen (Vorsicht: In der verlockendsten Wiese kann manchmal eine stengellose Distel den Spaß am Barfußlaufen ganz schön verderben).

Ein Wanderer auf einem Pfad, er bückt sich nach seinen Wandersandalen

Ein Mann muss wissen, wann er aufgibt (Foto: Norbert Schneider)

Also: weiter in Schuhen

Mit Schuhen an den Füßen geht es jetzt zügig Richtung Schuld. An einer rutschigen Stelle des Steiges legt sich mein Bruder lang, vielleicht die Strafe für die nicht abgesprochene Pause. (Gesprächsthema danach: Arthrose im Handgelenk). Am Friedhof von Schuld findet gerade eine riesengroße Beerdigung statt. Es muss wohl ein sehr bekannter (oder sehr beliebter – was nicht unbedingt dasselbe ist) Mensch gewesen sein, der heute hier seine letzte Ruhe findet. Der Ahrsteig führt in Schuld direkt am Ufer der Ahr entlang – Gelegenheit sich zu erfrischen.

Bei Schuld verspricht die Ahr die verdiente Abkühlung (Foto: Hans-Joachim Schneider), Ahrtal

Bei Schuld verspricht die Ahr die verdiente Abkühlung (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Die letzte große Herausforderung

Nachdem wir die Wochenendhäuser nördlich von Schuld passiert haben, wartet dann die schwerste Steigung dieser Tour auf uns. Die paar Regentropfen, die aus dem mittlerweile grauverhangenen Julihimmel fallen, erreichen uns im schattigen Wald leider überhaupt nicht. Keuchend bringen wir den Aufstieg hinter uns. Ich wunder mich über Hufspuren auf dem Steig, immer wieder scheint das (Reit-)Pferd mit einem Huf ein ganzes Stück abgerutscht zu sein.

Von gegenüber grüßt mich die Spicher Lay.

Von Schuld aus gesehen wirkt die Spicher Lay klein und harmlos (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Nach dem Aufstieg wird der Weg flacher, er führt aus dem Wald heraus auf die Spicher Lay. Nicht zum ersten Mal (und auch nicht zum letzten) haben wir einen schönen Ausblick über Schuld. Auf der ersten Bank genehmigen wir uns eine zweite Rast (jetzt mit meiner Zustimmung). Kaum eine Gemeinde hat so viele Bänke so geschickt rund um den Ort platziert, von denen man faszinierende Panoramablicke über die Gemeinde hat, wie Schuld. Die neuen Ahrsteigmöbel dagegen, die wir unterwegs angetroffen haben, wirken meist deplatziert, zu groß, zu grell und häufig ohne wirkliche Überlegung aufgestellt.

Blick auf Schuld, Aremberg und das grüne Tal (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Rund um Schuld gibt es zahlreiche Ruhebänke, von denen man die Schönheit des Ortes genießen kann (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Danach geht es schnell hinunter nach Schuld, das wir allerdings nur noch am Ortsrand berühren (Gesprächsthema jetzt: Kniegelenksarthrose und Schmerzmittel). Ein kleiner Anstieg noch durch die Wiesen östlich von Schuld (hier halten die Bremsen wohl gerade Mittagsschlaf), dann hat uns der Wald wieder. Dort geht es fast ohne Höhenunterschiede am Hang oberhalb der Ahr Richtung Insul. Ein kleiner Abstieg noch (Gesprächsthema: abermals Kniegelenksarthrose und Schmerzmittel), dann sind wir auf dem Niveau der Ahr. Das letzte Wegstück führt malerisch über die Einfassungsmauer am (orografisch) linken  Ufer der Ahr. Freundlich nimmt uns der Ort auf. Gleich darauf sind wir auch am Auto.

 Barfuß wandern kurz vor Insul – Spaß bei der Abkühlung an einem sauheißen Tag (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Kurz vor Insul – Spaß bei der Abkühlung an einem sauheißen Tag (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Gäste nicht unbedingt willkommen

Nun schnell noch hinauf nach Aremberg (mit dem Auto), um den zweiten Wagen abzuholen. Aber nicht ohne Erfrischung (Kaffee und Kuchen) auf der Terrasse der Burgschänke. Aber Pustekuchen: Die Terrasse ist zwar fast leer, aber serviert bekommen wir nix, weil drinnen 120 Hochzeitsgäste bedient werden müssen und wir leider nicht reserviert haben. Erschöpft und ein wenig frustriert treten wir den Heimweg an. Ist die Burgschänke eigentlich ein zertifizierter Wandergastgeber?

Das Gasthaus zum Wiesengrund: Heiß ersehntes Etappenziel auf dem AhrSteig blau. Ein gutes Bett, hervorragendes Essen, aber kein Handyempfang: Was will man mehr (Foto: Hans-Joachim Schneider)

Das Gasthaus zum Wiesengrund – die Alternative nicht weit von Aremberg (Foto: Hans-Joachim Schneider)

In Köln wartet ja mein Lieblingscafé auf mich. Dort weist man mich nicht ab. Mit einem Bekannten, der die Ahr vom Wandern ebenfalls fast wie seine Westentasche kennt, komme ich ins Gespräch über Borreliose. Er ist der dritte aus meinem Bekanntenkreis, der damit zu tun hatte. Er empfiehlt mir Waldarbeiterhosen, die mit einem chemischen Wirkstoff gegen Zecken getränkt sind. Erst gegen Ende des Gesprächst erzähle ich ihm, dass ich barfuß unterwegs war.

Zu Hause untersuche ich mich gründlich auf die kleinen Biester. Sieben auf einen Streich. Soviel hatte ich schon lange nicht mehr. Im Laufe des Abends entdecke ich noch zwei weitere – so winzig, dass ich sie wohl beim ersten Zeckencheck übersehen habe.

Kleiner Nachtrag: Am Dienstagmorgen unter der Dusche finde ich ein weiteres Exemplar auf meiner Hüfte, die muss sich irgendwo in den Klamotten versteckt und die 40-Grad-Wäsche überlebt haben.

Fazit:

Noch ein Fazit: Wer Angst vor Zecken und vor den von diesen übertragenen Infektionen hat, sollte auf das Barfußlaufen verzichten. Mit Borreliose (oder FSME = Frühsommereningoenzephalitis) ist nicht zu spaßen. Jeder Wanderer, der es mir nachmachen will, ist für seine Gesundheit selbst verantwortlich.

Eine Übersicht über aktuelle FSME-Risikogebiete findest Du beim Robert Koch-Institut hier.

Die Beschreibung einer weiteren Barfußwanderung findest Du hier:

Barfuß wandern nach Bremen – Drei-Bäche-Tour im Bergischen Land

 

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